Tagebuch
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Abschied
Sonntag, 11. April 2021
M.B. verschied am 11. April 2021 im Beisein seiner Familie.
Tagebuch-Ende.
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Mund- und Nasenschutz
Mittwoch & Donnerstag, 3-4. März 2021
Es ist ja dringend Mund-und Nasenschutz zu tragen
Vielleicht ist das auch bei Tagebuchtexten so zu praktizieren.
Morgen werde ich einen weiteren Vers niederschreiben.
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Von den Gratulationswellen
Dienstag, 2. März 2021
Klaus Steinhaußen, der Lektor, Erzähler und Literaturfunktionär, wäre heute 92 Jahre alt geworden. Er wohnte lange Zeit in Rudolstadt, zunächst in der Richard-Wagner-Straße, später einen Steinwurf von Inge von Wangenheims einstiger Wohnung entfernt.
Wenn wir Zeit hatten, gingen wir am Nachmittag zum Geburtstagskaffee. Klaus erzählte fast jedesmal eine Anekdote. Er rief eine Freundin in Moskau an, die am selben Tag Geburtstag hatte. Sie gratulierten einander und zudem einem dritten. Der dritte war Gorbatschow.
Es begann die Gorbatschow-Zeit.
Man gratulierte einander immer heftiger. Die Gorbatschow- Wellen wurden immer höher.
Und eines Tages sprach die sowjetische Freundin: Nein, dem dritten möchte ich nicht mehr gratulieren.
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Im Märzen die Soldaten
Montag, 1. März 2021
Im Märzen die Solodaten
Bedenken künftige Heldentaten
Sie grübeln darüber
und legen ihre Hände
an Träume in alle fernen Gelände
Man rechnet mit Bomben
Man pflanzet Granaten
Und sieht sich schon balde
Auf Denkmälern verewigt
Mit Kreuzen auf Halde
In Heldentaten.
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Erinnerungen an den Bauchnabel von 1986
Sonntag, 28. Februar 2021
Seit ich seit exakt gestern meiner Berliner Bude verlustig ging, bekomme ich Angebote: Du kannst gern bei uns/bei mir übernachten. Wenn Du eine Mugge hast.
Nur gibt es derzeit wegen der Corona-Besonderheiten keine Muggen. Und Berlin lockt auch nicht mit Theater und Ausstellungen.
Dafür werde ich an mein bedeutendes Buch von 1986 erinnert: „Der Bauchnabel und andere schöne Mittelpunkte einer Reise zu zweit“.
Es ging darin um eine Nachtlagersuche in jenem Ländchen, das DDR heißt. Alles lange vorbei. Ein Problem, das längst vorbei ist. Wir haben ganz andere.
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Willkommen und Abschied
Sonnabend, 27. Februar 2021
Wohnung Kolmarer Straße
Höchste Blüte, am 19. Oktober 2010 – Leergezogene Wohnung, am 26. Februar 2021
Siehe Biographie in Bildern
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Vom größer werdenden Deutschland
Vom Verschwinden des Schillervereins
Freitag, 26. Februar 2021
Früher wollte Deutschland sich unbedingt nach Osten ausdehnen. Da gab es Ostlandritter. Das haben wir zum Glück hinter uns. Inzwischen dehnt es sich auf der Zeitachse aus, wird also immer älter. Man feiert jetzt 1700 Jahre Juden in Deutschland. Manch einer/einem fällt das auf. Im Jahr 400 gab es nämlich diverse Reiche unter römischen Herrschaften, aber keinesfalls deutschen Chefs.
Der ganz gewiss nicht germanophile Sänger, Übersetzer und Romancier Körbel schrieb einen Brief an unsere leitenden Barden, u.a. den Bundespräsidenten. Wieso es damals zwar noch keine Deutschen und kein Deutschland gegeben hat, aber Juden in Deutschland. Es gab gewiss solche in Europa – aber Deutschland?
Das wäre mal ein Thema zum Diskutieren.
Eine traurige Sache gibt es auch noch zu verkünden. Der Schillerverein in der Schillerstadt Rudolstadt wird aufgelöst. Aus einem einfachen Grunde: Die jetzigen Mitglieder dieses Vereins haben sich vor allem zu lebendigen Salons getroffen. Mit virtuellen Treffen haben sie nix im Sinn. Und sollten in ein paar Jahren wieder lebendige Treffen möglich sein, lebt wohl keiner der jetzt noch aktiven Mitglieder.
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Langsame Entfernung
Donnerstag, 25. Februar 2021
Demnächst wird Gisela Steineckert 90. LANGSAME ENTFERNUNG heißt ihr jüngstes Buch (Darf man ein Buch zum neunzigsten Geburtstag so nennen? – Immerhin mit den Untertiteln „Gedanken, Gedichte und Voraussichten“). Der Eulenspiegel Verlag schickte das Buch – mit Widmung von Gisela an mich.
Weil ich mit Freund Reinhold Andert diverse Briefe von Renate Holland-Moritz sammelte und ein hübsches Buch zusammenstellte, mit ein paar – wie es Renate zukam – bissigen Bemerkungen von Renate über Gisela Steineckert, stolperte ich jetzt in diesem Buch über Erwähnungen von Gisela St. über Renate. Übrigens sehr freundlich, fast liebevoll:
„Einmal, an einem 1. Mai, war ich Teilnehmer im Block der Mitarbeiter aus dem Rathaus Pankow. Rings um mich wurde sehr viel geredet. Ich habe schon immer gern zugehört. Danach habe ich einen Monolog „Kampfdemonstration“ geschrieben, mit dem auf dem Spaziergang oder der Demonstration gehörten Sprüchen, und habe den Text an den Eulenspiegel geschickt. Er wurde gelesen und gedruckt. Und ich wurde zu einem Gespräch eingeladen.
Ein schönes Gespräch, und danach war ich für zwei Jahre im angesehenen Blatt als Kulturredakteurin tätig. Ich liebe jeden Gedanken daran, jeden an meine Kollegen und besonders an die ziemlich unbequeme, sehr gescheite, sehr, sehr mutige Freundin und Kollegin Renate vom Stamm der Holland-Moritzen.
Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Sie hat kaum je ein paar schützende, schwächelnde Vokabeln gesucht, wenn sie sich vorgenommen hatte, etwas geradezurücken, selber äußerst sensibel, in keiner Weise aufgeschlossen gegenüber einem Einspruch; vielleicht gar einem Widerspruch.
Aber sie hat mich unterstützt, erst einmal herauszufinden, wie ich das schaffe, was von mir erwartet wird. (…) Mich hat sie erst beobachtet, mir dann einige kostbare Tipps gegeben und nur übelgenommen, dass ich Ihr Kino-Eule übernommen habe, eigentlich schreiben musste, weil sie wegen Krankheit abwesend war.
Sie wer damals sehr schlank; ich nicht.
Das war ihr ein großer Trost. Dafür habe ich schmerzende Bemerkungen einstecken müssen. (...)"
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Die Fallentinverwandtschaft
Mittwoch, 24. Februar 2021
Die Verwandtschaft schickt ein Konspekt aus der ZEIT. Darin sehen wir, dass es auch früher, also vor einem guten halben Jahrhundert Menschen jenes Geistes gab, die exakt die heutige Zeit treffen und genauso rumnärgeln können, wie wir heute. Der Erzähler wartet im Supermarkt: eine endlose Schlange. Ihm fiel ein seltsamer Satz ein: „Erst wartete ich langsam, dann immer schneller und schneller. Karl Valentin?“ Richtig oder so? „Wie langsam doch die Zeit vergeht und wie schnell ist nichts getan.“ Oder: „Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sind“. Valentin ist der echte, in die Zeit passende Hypochonder, weil er keine Furcht habe, es sei denn, „ich bekäme Angst“. Der weiß schließlich: „Gar ned krank is a ned gsund“!
Natürlich ist der Autor dieses Zeit-Beitrags einer aus unserer Corona-Zeiten: Bernd Noack. Er zitiert das hübsche Stück: „Wir lassen uns das nicht gefalle. Sie sind nicht auf uns angewiesen, aber wir auf Sie, das müssen Sie sich merken.“
Und dazu passt schließlich: „Ich war mal genau so jung wie Sie! Wenn nicht noch jünger!“
Und wem derlei Zitate nicht passen, nehme diese hier: „Ich hoff, dass es nicht so schlimm wird, wie es jetzt schon ist!“ Oder: „Mit Caracho kommmen wir Corona immer näher.“
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Setzkästchen. Indianistik. Geburtstag
Dienstag, 23. Februar 2021
Vor zehn Jahren hatte ich eine Spielerei gebastelt:
„Aus dem Setzkästchen geplaudert“. Ein ABC der Schwarzen Kunst in einem lotterhaften Briefwechsel zweier Typochonder in welchem I, M, X und Y eingreifen. Durch die Buchstabenwüste korrespondierten Ingrid Annel & Matthias Biskupek, Edition Schwarzdruck, Berlin 2010.
Eine Freundin meiner Frau hatte jetzt einen runden Geburtstag. Sie bekam das Büchlein geschenkt - und hat sich nun heftig bedankt.
Bernd Schirmer hat vor fünfzehn Jahren im Eulenspiegel Verlag „Der letzte Sommer der Indianer“ veröffentlicht; klar, eine Geschichte mir Rothäuten, die zum letzten Mal ihre Indianistik-Kulturgruppe in die Welt schicken. Jetzt hatte des „nd“ einen Ausschnitt daraus veröffentlicht. Ob daraus ein weitverbreiteter Roman daraus wird. Eigentlich ist es es eine Filmvorlage. Schirmer ist nämlich ein begnadeter Szenarist.
Meine verehrte Kollegin aus dem Oberland hat allerlei Familiäres in einem ganz normalen Brief gesteckt. Der heutzutage natürlich Mail heißt. Es geht um die Verwandtschaft, um einen sechzigsten Geburtstag – und zum Zeitpunkt des Briefschreibens war das Oberland noch vollgestopft mit Schnee.
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Vier Mal letzte Februar-Woche
Montag, 22. Februar 2021
Am Montag, also heute, wurde Arthur Schopenhauer vor 233 Jahren im Hohen Norden, also in Danzig geboren. Seine Doktorarbeit ließ er im Sommer und im Herbst im Rudolstadt drucken, wo er im „Gasthof Zum Ritter“ hauste. Denn er suchte dort Schutz vorm preußischen Militär.
Karl May wurde am 25.2. 1842 in Hohenstein geboren. In Mittweida saß er vom 14. März bis 3. Mai 1870 in einer Zelle des Gerichtes um anschließend vier Jahre im Waldheimer Knast zu verbringen.
Erich Loest wurde am 24.Februar 1926 in Mittweida geboren, zog von dort später in den Krieg und viel später in den Roten Ochsen nach Halle und schließlich aus dem Knast in Bautzen in den 1960ern wieder in die Deutsche Demokratische Republik.
Albert Wendt wurde am 27. Februar 1948 in Borsdorf bei Leipzig geboren. Er schrieb allerlei Radiostücke, Kinderhörspiele, erhielt österreichische Staatspreise. Am Theater Rudolstadt wurde im Oktober 1976 „Nachtfrost!“ aufgeführt.
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Ä Gewerche
Sonntag, 21. Februar 2021
Weil Raymond Queneau, der französische Stilkenner, heute vor 98 Jahren geboren wurde und vor fast 30 Jahren die Lizenzausgabe des Verlages Volk und Welt für die Deutsche Demokratische Republik bekommen hat, können wir mal bisschen spielen: STILÜBUNGEN - PROSA. 120 Seiten voller schöner und komischer Ideen. Ideen.
Es geht darum, wie ein Bus voll besetzt ist und zwei Burschen darob erbost sind. Das Ganze wird als Erzählung als Klappentext, als amtlicher Brief, als Drama wiedergegeben, übertragen von Ludwig Harig und Eugen Helmle. Weil all diese Formen weder mit Ausrufen noch aus dem Saarländischen stammen können, habe ich es aus dem Sächsischen entwischen lassen:
Zwee Gerle nercheltn rum. Eener is doof, der andere bleede. Eegalweg, wenn der Bleede am Doofen vorbeidramblnd daad, gibbds ä Gewerche. Der laadschdn dään uff dee Beene unn der zickt rum, weil er uff sich rumlaadschn duuhn lassn darf.
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Eine Ankedote, die gewiss nicht stimmt
Sonnabend, 20. Februar 2021
Der 20. Februar ist der Tag des frischen Fisches. Schon immer gab es frische Fische.
Goethe schmeckte angeblich kein Fisch. Ob das stimmt oder ob er, wie ein gewisser Eckart Krumbholz meinte, nur gelegentlich keinen mochte, ist unklar. Einmal bei Charlotte von Stein in Gesellschaft zu Tische – es gab Fisch und Geflügel – reichte man einander die Schüsseln, von sinnigen Sprüchen begleitet. Goethe, zwischen Charlotte und Knebel placiert, bekam die Fischschüssel von Knebel. Knebel sagte:
„Wer den Aal nimmt beim Schwanz
Und den Fisch beim Wort.
Der bringt wenig fort.“
Goethe, ohne selbst zuzulangen, legte seiner Nachbarin das Schwanzende eines Fisches zu mit den Worten:
„Nach Fischen nicht,
Nach Vögeln steht mein Sinn,
Drum reich ich, dir, geliebte Freundin,
Mein Schwanzstück hin.“
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Zwei Meissners
Freitag, 19. Februar 2021
Am Nachmittag kommen in der Urgroßomasendung des MDR-Fernsehens immer heitere Menschen. Eine halbe Stunden lang erfahren Zugucker wie ich – manchmal sind sie noch keine Urgroßomas – Wichtiges über Schauspielerinnen, Schauspieler oder SchauspielerX.
Vorgestern saß die – nein, wir sagen nicht Schauspielerin, wir nennen sie Comödiantin Tatjana Meissner im Roten Sessel. Sie wohnt in Potsdam und stammt aus Stendal.
Doch es gibt ja noch eine Comödiantin namens Meißner. Die wohnte einst unweit einer Straße namens Marx-Engels-Straße, heute liegt die in einer Stadt, die damals und noch immer Rudolstadt heißt. Sie selbst trug – und trägt - den Vornamen Andrea. Ihr direkter Wohnort bei einem Möbel-Salon war nicht weit entfernt vom Ort, wo einst Schopenhauer seine Doktorarbeit schrieb. Als jene Meiß(ss)nerin dort als Schülerin wohnte, wurde von ihr nebenan Gemüse verkauft – oder von ihrem Vater - und die Schülerin Andrea ging nebenbei in ein Schülerkabarett.
Ab 1976 nahm sie eine Stelle als Souffleuse am Stadttheater an. Ich weiß das, weil ich in diesem Jahr ebenfalls ein Engagement begann als Regieassistent an just diesem Theater, außerdem als Requisiteur, Dramaturg, Programmheftzeichner u.v.a. … Als ich in den 1980ern am Geraer Berufskabarett verschiedene Programme geschrieben hatte, inszenierte eines davon der Freund von Andrea. Das Programm flog auf oder raus.
Der Freund wohnte in Potsdam, sie spielte in Potsdam – und wohnt jetzt noch immer in Am Schragen 14496 Potsdam. Vielleicht war sie schon mal bei der Großmuttersendung des MDR-Fernsehens zu Gast.
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Berlin und Hamburg, Valentin als Bischof und Rosenkavalier
Donnerstag, 18. Februar 2021
Den Bischof Valentin, der vor Jahrzehnten / Jahrhunderten herausgefunden hatte, dass man seinen Tag (Geburtstag/Rosenmontag) als Tag der Verliebten feiern solle. Er wusste ja noch nicht, dass der gute Karl Valentin (Valentin Ludwig Fey) weder den Tag der Verliebten, noch den Tag der Nonsens-Pfleger zu pflegen wünscht.
Ein verehrter Freund und Kollege hingegen las in meinem Tagebuch, dass ich über die neue Siedlungsform in Hamburg schrieb und mäkelte. Aber deswegen bin ich dennoch nicht nach Hamburg gezogen – auch wenn meine Berlin-Bude nun keine Bude mehr ist, sondern einfach eine aufgelassene Wohnung, in der ich nun nicht mehr hause … nee, Hamburg wäre mir zu weit weg.
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Schöne Neue Umbau-Welt
Mittwoch, 17. Februar 2021
Die Welt, also zumindest jene nördlich von Hamburg, ist am Umbau. Einfamilienhäuser soll es nicht mehr geben, brauchen zu viel Platz, zu viel Verkehr. Sagt der grüne Umbauplan. Der Mensch, der seine Ellenbogen ordentlich ausbreiten will, kann natürlich viele Quadratmeter kaufen. Oder muss sie – die Ellenbogen – nach oben spieken (wir sind im Hamburg).
Auf dem Dorf hat man viel Platz; man schaut dafür ins langweilige Grüne. Wer natürlich endlich mal dicht an dicht mit vielen kleinen Tabakladen – auch wenn der ordentliche Grüne gar keinen Tabak braucht - wohnen will, der zieht nach Hamburg-Süd. In Hamburg-Süd kann man vom 10. Stock weit ins (grüne!) Land schauen.
Und nun muss man nur noch tauschen: Von Hamburg-grün-Einfamilien-Nord nach Hamburg-Süd-Hochhaus-Weitguck, wo man Tabakläden hat und eine Aussicht bis ins fränkische Markus-Söder-Land.
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